Das Verständnis für Medizinalcannabis wächst
Nach und nach wächst das Verständnis für Medizinalcannabis. Ärztinnen und Ärzte trennen sich von den Kiffer-Klischees. Immer mehr geben ihr Misstrauen auf und interessieren sich für die heilsamen Wirkungen. Da wächst Akzeptanz und Wissen in der Ärzteschaft. Idealerweise gemeinsam mit Apotheken, die auf der pharmazeutischen Seite die nötige Kompetenz aufbauen.
Trotzdem: die Bilder von Pop-Kultur und Missbrauch sind mächtig
Da geht mühsam was voran. Aber die Bilder von Pop-Kultur und Missbrauch sind mächtig. In Behörden wie im wirklichen Leben. Allein die Tatsache, dass die Krankenkassen in Deutschland jedes Cannabis-Rezept genehmigen müssen! Wieviel Vorurteile und Misstrauen gegen Patienten und Ärzte stecken in dieser Vorschrift. Und wie viele Sprüche hören wir im Alltag! Ob wir unsere eigenen besten Kunden wären, über Reste-Rauchen nach Feierabend… Sehr lustig, haha.
Viele halten uns immer noch für Hippies
Das ist das Umfeld in dem wir als Apotheken mit Cannabis arbeiten. Jeden Tag haben wir mit diesem Unterschied zu tun. Mit Anrufern, die irgendwo von Wundern gelesen haben und von uns Rat wollen. Oder zögernden Ärzten, die sich um ihren seriösen Ruf sorgen. Mit der Skepsis der vielen Apotheken, die mit dem Thema nichts zu tun haben wollen. Es sind nicht wenige Kollegen, die uns für semi-kriminelle Hippies halten.
Cannabis ist ein Systemsprenger
Der mögliche Missbrauch ist das Argument für den Widerstand innerhalb der Apothekerschaft. Absichtlich werden Medizinalcannabis und Freizeitkonsum nicht klar getrennt. Ich vermute dahinter einen Vorwand. Wenn ich Cannabis verdächtig mache, muss ich mich damit auch nicht auseinandersetzen. Muss ich meine Routinen nicht infrage stellen. Cannabis ist nämlich ein Systemsprenger. Das ist uns über die Jahre immer klarer geworden. Prüfung, Rezepturen, Extrakte, individuelle Rezepte. Das ist intensive Apothekenarbeit. Polemisch gesagt: Das läuft oft quer zu den eingespielten Abläufen im „Outlet für Big Pharma“.
Pop und Apotheke passen nicht
Wenn Christian Lindner die Cannabis-Legalisierung über die Apotheken laufen lassen möchte, müssen wir aufpassen, dass dieser Unterschied zwischen Medizinalcannabis und Freizeitkonsum, an dem so viel hängt, deutlich erhalten bleibt. Was wir an Wissen und Aufklärung über medizinisches Cannabis erreicht haben, darf dabei nicht wieder unter die Räder kommen. Ich bin mir sicher, Pop und Apotheke passen nicht. Hier berät eine Apothekerin einen Tumorpatienten, daneben besprechen Partypeople die Reize von Bakerstreet? Und kurz nach Mitternacht steht eine Schlange halb-stoned am Bereitschaftsschalter?
Den Unterschied zwischen Medizinalcannabis und Freizeitkonsum erhalten
Das Problem ist nicht, dass ich mir das nicht vorstellen kann. Auch nicht, dass ich nicht die wirtschaftlichen Möglichkeiten für Apotheken sehen würde. Das Problem ist, dass die Grenze zum Medizinalcannabis verschwimmt. Was die Patientinnen und Patienten in Schwierigkeiten bringen würde, für die wir in den letzten 10 Jahren so viel erreicht haben.
Ja, Cannabis-Legalisierung sollte über Apotheken laufen
Ich bin unbedingt dafür, die Cannabis-Legalisierung über Apotheken laufen zu lassen. Wir haben das Know-how und das seriöse Umfeld für Prüfung, Produkte und Beratung. Aber es darf nicht auf Kosten der Patientinnen und Patienten gehen, die Medizinalcannabis brauchen. Darum bin ich für eine räumliche Trennung. Wir haben mit den Corona Testcentern gezeigt, wie schnell Apotheken auf eine neue Situation reagieren können.
Apotheken mit eigenen Cannabis-Stores
Mit einer angemessenen Vorlaufphase wären Apotheken in Deutschland in der Lage, die Strukturen für eine kontrollierte Cannabis-Legalisierung aufzubauen. Allerdings sollten Apotheken, die an dieser Legalisierung teilhaben wollen, verbindlich eigene Cannabis-Stores einrichten müssen.
Melanie Dolfen
Melanie Dolfen ist eine gefragte Expertin für medizinisches Cannabis („Medizinal Cannabis“), HIV/ Hepatitis, Ernährung und Prävention. Regelmäßig spricht die Apothekerin auf Kongressen und Branchenevents über gesundheitspolitische Themen. Sie ist Gründerin und Inhaberin der BezirksApotheke, mit Standorten in Mitte und Friedrichshain.